Sie verweigerten sich

Wir kapitulieren nieSie verweigerten sich – Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, Wehrkraftzersetzer, „Kriegsverräter“
Ausstellung und Veranstaltungsreihe

8. April bis 15. Mai 2010, Stadtbücherei Erlangen

Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr: 10:00 – 18:30 Uhr, Sa 9:00 – 12:00 Uhr, Mi geschlossen – Eintritt frei

Eröffnung: 8.4.2010, 17:00, Stadtbücherei
mit Beiträgen zu Wehrmachtsdeserteuren und zur Regionalgeschichte. Frau und Sohn des Widerstandskämpfers und Deserteurs Ludwig Göhring aus Nürnberg werden anwesend sein.

Sie verweigerten sich, verweigerten ihre Einberufung zur Wehrmacht, verweigerten Befehle, desertierten oder verweigerten die Unterstützung an der so genannten Heimatfront. Gegen diese Menschen, die nicht bereit waren, den deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieg zu bejubeln und mitzutragen, verhängten die NS-Militärjustiz und die Sondergerichte weit über 30.000 Todesurteile. Mindestens 20.000 dieser Todesurteile wurden vollstreckt, darüber hinaus wurden zehntausende von Freiheitsstrafen ausgesprochen.

Die Rehabilitierung dieser Menschen in der Bundesrepublik begann spät und dauerte lange. Sie begann im August 1998 und erst 2009 wurde die letzte Gruppe, die von den Nationalsozialisten als „Kriegsverräter“ Beschuldigten, rehabilitiert.

Zur Erinnerung an Menschen, die einen Beitrag zur Befreiung vom Faschismus geleistet haben, dafür aber nie geehrt wurden und stattdessen jahrelang für ihre juristische Rehabilitierung kämpfen mussten, zeigt der Erlanger Verein zur Förderung alternativer Medien anlässlich des 8. Mai 2010, des Jahrestages der Befreiung, diese Ausstellung. Konzipiert wurde sie von einer Berliner Autorengruppe (Hans Canjé, Gerhard Fischer, Lothar Eberhardt).
Die Ausstellung zeigt geschichtliche Zusammenhänge auf und porträtiert Einzelpersonen. Verschiedene Widerstandsgruppen, wie etwa die Rote Kapelle, kommen genauso zur Sprache wie die NS-Karriere des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger. Der Verein zur Förderung alternativer Medien hat die Ausstellung um Tafeln zum Nürnberger Sondergerichtshof und zum Deserteur Ludwig Göhring aus Nürnberg ergänzt.

Weitere Informationen unter: www.mai45.de

Veranstaltungsreihe dazu:

Mittwoch 14.4.2010, 20 Uhr
Desertiert.
Der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann berichtet über die NS-Zeit und von seinem langen Kampf für Rehabilitierung der NS-Opfer.
IG Metall-Saal, Friedrichstr. 7, Erlangen – Eintritt frei

Ludwig Baumann desertierte im Juni 1942 aus der Wehrmacht. Nach seiner Festnahme wurde er wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt. Von der Umwandlung der Todesstrafe in eine 12jährige Zuchthausstrafe erfuhr er erst nach Monaten – die er in der Todeszelle verbracht hatte.
Auch nach Kriegsende wurde er in der BRD – wie andere Deserteure auch – als „Feigling“ geächtet. 1990 gründete Baumann mit etwa 40 noch lebenden Wehrmachtsdeserteuren und Historikern die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, um eine Aufhebung der Unrechtsurteile gegen Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“, Kriegsverräter“ durchzusetzen.

Mittwoch 21.4.2010, 20 Uhr
NS-Richter – „Kriegsverräter“
Frühe Selbstentlastung der Richter – späte Rehabilitierung der Opfer.
Vortrag von Wolfram Wette, Militärhistoriker und Sachverständiger im Bundestag
Volkshochschule, Großer Saal, Friedrichstr. 19, Erl. – Eintritt frei

Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis der Bundesgerichtshof sich endlich zu der späten Beichte durchrang: Die Richter, die in der Wehrmachtjustiz tätig gewesen waren, waren „Blutrichter“, die sich eigentlich „wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen hätten verantworten müssen“. Wie konnte es geschehen, dass diese Täter in der Bundesrepublik unbehelligt ihre Laufbahn fortsetzen konnten? Weshalb wurde keiner von ihnen von einem Gericht zur Rechenschaft gezogen? Weshalb hat es so lange gedauert, bis den Opfern endlich Gerechtigkeit widerfuhr?
Mit diesen Fragen setzt sich der Freiburger Militärhistoriker Professor Wolfram Wette auseinander, der maßgeblich an der erst im September 2009 erfolgten Rehabilitierung der „Kriegsverräter“ durch den Deutschen Bundestag beteiligt war.
Mittwoch 28.4.2010, 20 Uhr
Kriegsverbrechen unterm Edelweiß
Kampagne gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald.
Infoladen, Feldstr. 22, Erlangen – Eintritt frei

Gebirgsjäger der Wehrmacht waren im Zweiten Weltkrieg an verschiedenen Kriegsverbrechen beteiligt, etwa Massakern an der Zivilbevölkerung in Italien und Griechenland. Alljährlich zu Pfingsten trifft sich der Kameradenkreis der Gebirgsjäger in Mittenwald zu einer Gedenkfeier für gefallene Kameraden – dieses Jahr wird das Treffen symbolträchtig am 8. Mai stattfinden. Seit Jahren gibt es eine Kampagne, die sich für eine Entschädigung der Opfer und eine Verurteilung der Kriegsverbrecher einsetzt.

Mittwoch 5.5.2010, 20 Uhr
Besser die Hände gefesselt als der Wille
Das Leben des Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter.
Ein Fotofilm von Klaus Ihlau
IG Metall-Saal, Friedrichstr. 7, Erlangen – Eintritt frei

Franz Jägerstätter kam nicht seiner ‚Vaterlandspflicht‘ nach. Für seine religiös motivierte Gewissensentscheidung den Kriegsdienst zu verweigern, wurde er vom Berliner Reichkriegsgericht zum Tode verurteilt und starb am 9. August 1943 auf dem Schafott im Zuchthaus Brandenburg.
Klaus Ihlau zeichnet in seinem Hörbild die vielfältigen Facetten der Person Jägerstätters, aber auch die Ambivalenz der Kirche im Nationalsozialismus nach. Er erzählt von der Dorfgemeinschaft St. Radegund, in der Franz Jägerstätter lebte und die bis heute mit dem Phänomen des Kriegsdienstverweigerers Jägerstätter nicht fertig wird, seine Entscheidung nicht versteht, nicht akzeptieren kann.
Klaus Ihlau spannt dabei den Bogen bis zur Diskussion um die aktuellen Kriegsdienstverweigerer und zur Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren.

Filme im E-Werk Kino, Fuchsenwiese, Erlangen:

So 25.4., Di 27.4. jeweils 19:00 Uhr; Mi 28.4., 21:30 Uhr
Die Mörder sind unter uns
Deutschland 1946, 91 Min., Regie: Wolfgang Staudte, mit: Hildegard Knef u.a., FSK 16

Der erste deutsche Spielfilm der Nachkriegsgeschichte, gedreht in den Trümmern von Berlin. Der Militär-Chirurg Dr. Mertens kehrt aus dem Krieg zurück. Mertens begegnet in Berlin seinem ehemaligen Hauptmann Brückner. Dieser ließ am Weihnachtsabend 1942 36 Männer, 54 Frauen und 31 Kinder einer polnischen Ortschaft erschießen. Inzwischen ist Brückner ein beliebter Bürger und erfolgreicher Geschäftsmann, der aus alten Stahlhelmen Kochtöpfe produziert. Am Weihnachtsabend 1945 versucht Mertens Brückner zu töten, doch der Mord wird von Mertens Freundin Susanne Wallner rechtzeitig verhindert. Sie kann ihn überzeugen, Brückner anzuzeigen, so dass er vor Gericht gestellt werden kann.

So 9.5., 19:00 Uhr
Rosen für den Staatsanwalt
BRD 1959, 98 Min., Regie: Wolfgang Staudte, mit: Martin Held, Walter Giller, Ingrid van Bergen, Inge Meysel, Wolfgang Neuss u.a., FSK 12

Der ehemalige Gefreite Rudi Kleinschmidt trifft im Deutschland von 1955 auf den Oberstaatsanwalt Dr. Schramm. Kriegsgerichtsrat Schramm hatte Kleinschmidt in den letzten Kriegstagen für den Diebstahl von zwei Tafeln Schokolade zum Tode verurteilt. Schramm hatte bei der Entnazifizierung falsche Angaben gemacht und wurde daher wieder in den Justizdienst übernommen. Schramm fürchtet um seine Karriere und versucht Kleinschmidt aus der Stadt zu vertreiben. Eine bissige Satire auf die Zustände der deutschen Justiz in der Adenauer-Ära.

www.mai45.de